Oboe – ihr geht nie die Luft aus
>>> Veranstaltungsbroschüre "Oboe – Instrument des Jahres 2017" Teil I (Januar – Juni 2017)^
>>> Veranstaltungsbroschüre "Oboe – Instrument des Jahres 2017" Teil II (Juli – Dezember 2017)
Was ist sie nur für ein filigranes, komplexes und sensibles Gebilde! Schon in ihrem Aufbau findet die Oboe kaum ihresgleichen. Silberne Klappen, die die Tonlöcher im schwarzen Korpus aus edlen Hölzern öffnen und schließen, versehen mit Klappenpolstern aus Fischhaut oder Kork, gehören zu einer komplizierten Hebelmechanik. Kleine Stahlfedern, Ringklappen, Polster – alles muss perfekt eingepasst sein, damit die Voraussetzungen zur Klangerzeugung bei der Oboe stimmen. Durch ein Doppelrohrblatt – nach dem Prinzip eines seitlich aufgeschlitzten zusammengepressten Strohhalms – bläst der Spieler, um mit präziser Atem- und Lippentechnik der Oboe die Töne zu entlocken.
Doch wenn sie erst einmal klingt, können uns in Salomes Tanz sinnlich-orientalischen Melodie-Bögen in Richard Strauss‘ gleichnamiger Oper betören. Brahms schenkte der Oboe ein wunderbares Solo zu Beginn des zweiten Satzes seines Violinkonzertes, und in Beethovens „Fidelio“ fällt der rettende Hoffnungsstrahl mit der aufblühenden Oboenlinie wie engelsgleiches Licht in Florestans finsteren Kerker und er fantasiert – dem Tode nahe – die Rettung durch seine geliebte Leonore. Doch die Oboe kann auch anders: Mussorgskys Küken tanzen in der Ravelschen Orchesterfassung der „Bilder einer Ausstellung“ keck und voller Lebenslust in ihren Eierschalen und die Oboen „tanzen“ dabei mit den Föten um die Wette.
Hartnäckig halten sich Gerüchte und Legenden über die angeblich gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen und die besonderen Tücken des Oboespielens: So hat es die Oboe – mit dem Horn zusammen – bis ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft als vermeintlich spieltechnisch schwierigstes Instrument.
Durch die Jahrtausende erklingen die Doppelrohrblattinstrumente in verschiedensten Varianten, Regionen und Kulturen rund um den Erdball. Auf Abbildungen aus der Antike ist der Oboen ähnliche griechische Aulos zu sehen. Im Mittelalter wurden mit Pommer und vor allem der Schalmei Vorläufer der Oboe gespielt. Aus dem Orient sind Duduk und Zurna nach Europa eingewandert und fanden hier Einzug als Instrumente, die zusammen mit der großen Trommel Davul zu Festlichkeiten wie Hochzeit, Beschneidung und zum Tanz aufspielten. Auch mit all ihren historischen Verwandten von Barockoboe, Englischhorn und Oboe d’amore bis zum Heckelphon möchten wir in unserem Oboen-Jahr dies kleine Instrument mit den vielfältige Klangmöglichkeiten vorstellen.
Wir laden Sie ein, das besondere Wesen der Oboe mit uns zu erkunden. Mit keinem anderen Blasinstrument lassen sich mit einem einzigen Atemzug so lange Phrasen spielen wie mit der Oboe dank der Zirkularblastechnik: Durch die Abschließung des Mundraums vom Rachenraum kann der Spieler durch die Nase einatmen, während er mit der Luft im abgeschlossenen Mundraum mit geschmeidigen Backen den Melodiebogen kunstvoll weiterbläst. Dazu braucht es auch sorgfältig zubereitete Rohrblätter als Oboen-Mundstücke. Deren Holz gedeiht auf eigens hierfür angelegten Plantagen in Frankreich und Kalifornien unter speziellen klimatischen Bedingungen: Raum für viel Fachsimpelei der Oboen-Bauer und -Spieler. Wen verwundert es, dass die Oboe einer besonderen Aufmerksamkeit ihrer Spieler und ihres Publikums bedarf – und belohnt.
Wir danken allen, die mit ihren Konzerten, Meisterkursen, Workshops und Veranstaltungen dieses Heft bereichert haben und wünschen Ihnen eine spannende Entdeckungsreise durch das Oboen-Jahr. Perfekt eingestimmt sind wir ja in jedem Falle…
Grußwort des Landesmusikrats-Präsidenten, Dr. Hubert Kolland