Zum 25-jährigen Jubiläum des Nachbarschaftsvertrages präsentiert das Landesjugendorchester im Berliner Konzerthaus deutsche und polnische Kompositionen.
Der Tagesspiegel, 03.11.2016, Autor: Tomasz Kurianowicz
Letzte Woche hat das Landesjugendorchester noch in Szczecin gespielt, jetzt präsentiert es im Berliner Konzerthaus ein ungewöhnliches Programm: Polnische und deutsche Kompositionen aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Nachbarschaftsvertrages. Als Gast-Dirigentin steht Ewa Strusinska am Pult, die bis zu diesem Sommer die Direktorin der Stettiner Philharmoniker war (und zudem Hausherrin des phantastischen, 2014 eröffneten Musiksaals).
Der Abend beginnt mit einem Fundstück: Boris Blachers „Concertante Musik“. Das 1937 entstandene Werk klingt groß, mächtig und voluminös – ein Beispiel des filmmusikalischen Größenwahns, für den der deutsch-baltische Komponist und Wahl-Berliner bekannt war. Die Bläser rücken vor, treiben die breiten Klangpassagen bis ins Extreme und den Rest der Musiker bis an die Grenzen, bevor die leichtfüßige Dirigentin ihre Schützlinge gekonnt zurückzurufen versteht.
Wink an den polnischen Botschafter
Diese Entschlossenheit zeigt sich auch beim Konzert für Oboe und Orchester: Das von Ludwig August Lebrun komponierte Werk ist 160 Jahre älter, daher muss sich das Ensemble in eine mildere Stimmung versetzen. Doch der krasse Wechsel gelingt famos. Das Werk klingt zart und ausgewogen, filigran und pointiert, auch wenn es manchmal Ungereimtheiten zwischen Orchester und dem sonst bravourösen Solisten Johannes Christ gibt. Aber das ist im zweiten Teil vergessen, wenn Karol Szymanowskis zweite Sinfonie erklingt. Ein furioses Werk mit aufrüttelnden sowie nachdenklichen Passagen, das dem Komponisten in seinem Heimatland Polen nicht nur Respekt eingebracht hat. „Zu deutsch“ würde es klingen, war damals der Vorwurf, dabei ist die Komposition durchsetzt von osteuropäischen und folkloristischen Elementen.
Das Landesjugendorchester arbeitet diese Balance beispielhaft heraus: Die Musiker zwischen 14 und 24 Jahren zitieren wagnerische Wucht und polnische Verspieltheit und verblüffen mit einem nahezu tanzbaren Ergebnis. Besonders in den schnellen Sätzen beweist das Ensemble sein Können, was auch an Ewa Strusinskas sensibler Arbeit liegt. In ihrem Dirigat kann man erfahren, wie gut Polnisches und Deutsches harmoniert. Ein Wink auch an den neu berufenen polnischen Botschafter. Denn auch er sitzt im Saal. Und staunt.