Der Tagesspiegel, 26. April 2011 – KURZ & KRITISCH
Das Tutti schwillt an wie die aufgehende Sonne über den Bergen, um gleich danach in grazil getupfte Flötentöne überzugehen. Sie lachen, als seien sie einem georgischen Volkstanz entsprungen. Der Beginn des dritten Satzes von Aram Chatschaturjans Violinkonzert – Allegro Vivace – ist bezeichnend für das ganze Werk: vielgestaltig wie die Landschaft, der der Komponist entstammt, voller kaukasischer Weite und Sehnsucht. Solistin Alina Weidlich hat den Violinpart für Flöte umgeschrieben und bewältigt im Konzerthaus einen Tonumfang, für den der Geiger vier Saiten zur Verfügung hat.
Das gelingt ihr oft elegisch schimmernd und fein, in manchen Passagen rutscht der Klang aber ab ins Undefinierte, hat zu wenig Substanz. Für das Landesjugendorchester Berlin ist dieses Konzert die Krönung der ersten von zwei jährlichen Probephasen. Hier spielen Musiker von 14 bis 25, die nicht alle Profis werden wollen. Das hört man nicht: Schlank und homogen ist der Streicherklang. Das Blech tönt hingegen schwergängig. Mit James Levines Assistentin Shi-Yeon Sung am Pult gelingen subtile Temporückungen, die man der harten Gestik, mit der sie dirigiert, zunächst gar nicht zutrauen würde. So tanzen schon bald die grotesk verfremdeten Klängen und camouflierten Themen von Dmitri Schostakowitschs erster Symphonie wie Kobolde vor den Zuhörern. Schostakowitsch war, als er das schrieb, übrigens erst 19. Auch er hätte gut im Landesjugendorchester sitzen können. Udo Badelt