Im fünften Jahr des Projekts ist 2014 die Bratsche "Instrument des Jahres". Sie soll in zahlreichen Veranstaltungen ganz unterschiedlichen Formats einem breiten Publikum vorgestellt werden: vom Geigenbauer, der Bratschen für Kinder und Jugendliche präsentiert, über Meisterkurse für angehende Solisten und "Schnupperunterricht" bei HochschuldozentInnen für interessierte Laien bis hin zu Jazzkonzerten, Kammermusikabenden für Bratschenquartette oder Konzerten für Bratsche und Orchester.
Das Veranstaltungsprogramm "Bratsche – Instrument des Jahres 2014" September-Dezember 2014 ist druckfrisch erschienen!
Hier können Sie den neuen Programmflyer downloaden.
Die Gesamtbroschüre "Bratsche – Instrument des Jahres 2014" finden Sie hier.
(Foto: Jean Severin)
„Von allen Instrumenten im Orchester ist die Viola dasjenige, dessen ausgezeichnete Eigenschaften man am längsten verkannt hat.“ Also schrieb Hector Berlioz in seiner 1843/44 verfassten Instrumentationslehre, bevor er in seinem unnachahmlich blumigen Stil einige von diesen Eigenschaften auflistete und an klug gewählten Beispielen aus der Orchesterliteratur erläuterte.
Vieles hat sich in den 170 Jahren getan, die seitdem vergangen sind. Die namhaftesten Komponisten haben die Viola nicht nur innerhalb des Orchesters, sondern auch als Kammermusik- und Soloinstrument mit den dankbarsten Aufgaben bedacht. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, musste das Durchschnittsniveau der Instrumentalisten – die zu Berlioz’ Zeiten allzu oft als ein für die Musizierpraxis „notwendiges Übel“ galten – stark angehoben werden, und so entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Musikhochschulen zum ersten Mal gesonderte Violaklassen. Das Violaspiel wurde als zusätzliches Fach bei einigen der renommiertesten Musikwettbewerbe eingeführt, und es wurden sogar einige internationale Viola-Wettbewerbe ins Leben gerufen, aus denen eine stets wachsende Reihe hervorragender Solisten kontinuierlich hervorgeht.
Und doch sind viele Vorurteile und Stereotypisierungen nicht totzukriegen! Wer kennt nicht einen der unzähligen „Bratscherwitze“, die meistens mehr über denjenigen besagen, der sie erzählt, als über deren vermeintliche Zielscheibe! Tatsache ist, dass sich die Viola und ihre Spieler seit eh und je hartnäckig geweigert haben, sich in ein Muster hineinpressen zu lassen. Es fängt schon mit dem Namen an: Es wird gelegentlich gefragt, was denn der Unterschied zwischen „Viola“ und „Bratsche“ sei. Gar nichts, lautet die einfache Antwort! Beide Bezeichnungen stammen aus dem italienischen Ausdruck „viola da braccio“, der ein auf dem Arm gespieltes Instrument meint. Und da wir uns gerade mit etymologischen Fragen beschäftigen, ist es sicher nicht überflüssig zu unterstreichen, dass die Viola die Urform des Instruments darstellt; alle anderen Namen sind Ableitungen daraus: eine Violine ist eine kleine Viola; ein Violone ist eine große Viola; ein Violoncello schließlich ist eine kleine große Viola (und Claudio Monteverdi spricht zusätzlich vom „contrabbasso di viola“).
Auch bemerkenswert ist bei der Bratsche die Tatsache, dass sich weder Spieler noch Bauer des Instruments darüber einigen können, wie es idealerweise auszusehen bzw. zu klingen habe. Während sich die Geige seit Stradivari kaum geändert hat, werden bis heute Bratschen gebaut, deren Korpus eine Länge etwa zwischen 38 und 48 cm betragen und außerdem ziemlich abenteuerliche Formen annehmen kann. Eine Bratsche kann dunkel wie ein Cello oder hell wie eine Geige klingen, und beide Varianten haben ihre leidenschaftlichen Verfechter. Dieser Facettenreichtum ist einer der Reize, durch die jeder der jährlich veranstalteten Kongresse der 1968 gegründeten International Viola Society sowie die „Bratschistentage“ der daraus hervorgegangenen Deutschen Viola-Gesellschaft zu einem unvergleichlichen Ereignis wird. Wie jeder Spieler, ist auch jedes Instrument ein Unikat!
Dass der Landesmusikrat Berlin die Bratsche zum Instrument des Jahres 2014 gekürt hat, wird eine willkommene Gelegenheit darstellen, das Instrument nicht nur dem sprichwörtlichen „Mann auf der Straße“ näher zu bringen, sondern es auch aus seinem unverdienten Aschenputtel-Dasein zu erlösen.
Carlos María Solare
(Präsident der International Viola Society)
TAG DER BRATSCHE am 21. November 2014 im Konzerthaus Berlin!
Wir danken dem Konzerthaus Berlin für die großzügige Unterstützung des "Tages der Bratsche"!
Auch in diesem Jahr widmete der Landesmusikrat Berlin dem Instrument des Jahres einen eigenen Tag, der ein Tag der Begegnung mit der Bratsche und durch die Bratsche war. Im Konzerthaus am Gendarmenmarkt waren Bratschisten, junge Bratschenschüler/-innen und die interessierte Berliner Öffentlichkeit zusammengekommen, um sich auszutauschen, einander zuzuhören und miteinander zu musizieren. Dabei stand die Bratsche im Mittelpunkt vielseitiger Programmpunkte:
13.30 Uhr: Meisterkurs Bratsche, Leitung Amalia Arnoldt (Solo-Bratschistin des Konzerthausorchesters Berlin).
15.30 Uhr: Workshop mit Marion Leleu (UdK Berlin) – "Körpergerechte Haltung und Einstellung beim Bratsche-Spielen".
16.30 Uhr: Workshop Bratsche, Leitung: Felix Korinth (Konzerthausorchester Berlin)
VIOLA-Offensive: Eröffnung durch das Bratschen-Ensemble Berliner Musikschulen, Einstudierung: Katharina Becker, Shuho Hoshi-Berg, Bettina Marquardt, Christian Roloff.
18.30 Uhr: Vortrag Jean Severin (Weimar): "Bratschen fallen nicht vom Baum – Wie große und kleine Bratschen heute gebaut werden"
20.00 Uhr KONZERT
Einleitung: Tilman Muthesius (Potsdam): "Einführung zum historischen Bratschenbau"
Irmgard Huntgeburth (UdK/Bratsche): "Bratsche Barock" mit drei Studierenden
- Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525-1594): zwei Ricercari sopra li Toni
- Georg Philipp Telemann (1681-1767): Sonata in F-Dur
Aida Carmen Soanea (Bratsche) mit Pianist und Geigerin
- Norbert von Hannenheim (1898-1945): Sonaten für Viola und Klavier
Igor Budinstein (Solo-Bratschist des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin)
- Niccolò Paganini (1782-1840): "Nel cor più non mi sento" (1827)
Hartmut Rohde (UdK/Bratsche), Marie-Pierre Langlamet (Berliner Philharmoniker/Harfe) und Holger Groschopp (UdK/Klavier)
Ursula Mamlok (*1923):
- "From my garden" für Viola solo (1983)
- "Wolkenfelder" für Viola und Harfe (1965/Rev. 2004)
- "Above clouds" für Viola und Klavier (2013/14) – Deutsche Erstaufführung
TANGO mit Julia Adler-Mai und José Gallardo
- Gustavo Beytelmann (*1945): Tango-Suite "5 piezas para viola y piano" (1997)
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Hier können Sie den Programmflyer downloaden.
Kleiner Videobeitrag des Konzerthauses Berlin zur "Bratsche – Instrument des Jahres 2014"Die Gesamtbroschüre "Bratsche – Instrument des Jahres 2014" finden Sie hier.