Thank you for the (Amateur-) Music – Symposium in der Universität der Künste und Jour fixe „Musik und Stadt“ bei Alex Berlin
Welches Geschenk machen Amateurmusiker:innen, die gemeinsam musizieren, der Gesellschaft? Mit diesem Schwerpunkt führte der Landesmusikrat Berlin gemeinsam mit dem Bundesmusikverband Chor und Orchester Umfrage durch, an der sich fast 4.000 Menschen beteiligten. Die Ergebnisse werden noch in diesem Jahr im Rahmen einer Publikation der Maecenata-Stiftung erscheinen.
Zwei Veranstaltungen nahmen das Thema nach der Sommerpause weiter in den Blick. Hier können Sie die Aufzeichnung der ersten Veranstaltung sowie die Statements der Beteiligten anschauen (nach unten skrollen).
Dienstag, 5. September 2023, 19 Uhr
17. Jour fixe „Musik und Stadt“: Thank you for the (Amateur-) Music
ALEX Berlin, Fernsehstudio, Rudolfstraße 1–8, 10245 Berlin
Moderation: Hella Dunger-Löper
Auf dem Podium: Dr. Isabel Fernholz (Charité Berlin), Astrid Belschner (Berliner Zitherbund), Christian Goiny (Haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion), Angela Meyenburg (KulturLeben Berlin – Schlüssel zur Kultur e.V.), Till Schwabenbauer (Landesverband Berlin-Brandenburgischer Liebhaberorchester)
Musik:
Akkordeon-Ensemble „accordanza“: Ronja Löbnitz, Marina Gersonde, Detlef Quaas, Timon Töpfer, Bernd Löbnitz
Mandoline solo: Milan Jürgens
Hier gelangen Sie zum Mitschnitt der Sendung
Freitag, 8. September 2023, 14-19 Uhr
THANK YOU FOR THE (AMATEUR-) MUSIC!
Symposium zur Amateurmusik in der Universität der Künste Berlin
Zum Programm bitte hier klicken
Kurz-Statements der Speaker:innen
Hella Dunger-Löper, seit 2017 Präsidentin des Landesmusikrates Berlin e.V.
Von 2004 bis 2011 war sie Staatssekretärin für Bauen und Wohnen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Von 2011 bis 2016 wirkte sie als Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und als Europabeauftragte des Landes Berlin. Ihr unterstand die Abteilung für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Berliner Senatskanzlei. Zudem war sie Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik bietet jedem Menschen die Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu erleben. Amateurmusik zu machen ist eine direkte Erfahrung, im Gegensatz zu medial vermitteltem Hören von Musik. Damit stärkt Amateurmusik den Menschen als Individuum, aber auch als soziales Wesen, denn Amateurmusik findet meistens in einer Gruppe statt, die sich aus unterschiedlichsten Menschen zusammensetzt. Sie kommunizieren miteinander in einer sehr intensiven Art. Insofern ist Amateurmusik ein wichtiges Element unseres gesellschaftlichen Zusammenseins und -wirkens. Amateurmusiker:innen stellen mit ihrem großen Interesse an der Musik auch einen wesentlichen Teil des Konzertpublikums der Berufsorchester dar.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Amateurmusik wird heute immer noch nicht als wesentlicher Teil zivilgesellschaftlicher Aktivitäten betrachtet. Das müssen wir ändern. Deshalb müssen wir – die wir uns für Musik für alle engagieren – deutlich machen, dass Amateurmusik ein unverzichtbarer Teil unserer Zivilgesellschaft ist, dass er wertgeschätzt werden muss und dass er deshalb auch unterstützt und gefördert werden muss: unter anderem durch eine Gleichstellung mit dem Breitensport und durch entsprechende finanzielle und räumliche Ressourcen. Auch die frühzeitige Hinführung zur Musik durch Kita und Schule ist unverzichtbar.
Chris Berghäuser, seit Mai 2021 Leiter der Landesmusikakademie Berlin.
Von 1994 bis 2003 war der studierte Musiker musikalischer Leiter am Berliner Kabarett-Theater „Kartoon“. Von 2004 bis 2021 leitete er die Musikschule „Béla Bartók“ in Berlin-Pankow. Im Jahr 2015 war er Gründungsmitglied des Bündnisses zur Förderung der öffentlichen Berliner Musikschulen e. V. und ist seitdem als dessen Vorstandsvorsitzender gewählt. Seit 2017 ist er zudem Vorsitzender des Berliner Musikschulbeirats.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Bereits sehr früh spielen Kinder und Jugendliche regelmäßig in den Ensembles der Musikschulen, oftmals Seite an Seite mit Menschen mehrerer Generationen. Mit ihrem Instrument oder Stimme sind sie Teil einer Gemeinschaft, in der sie Verantwortung für das künstlerische Gesamtergebnis ihres Orchesters, Chores oder ihrer Bands übernehmen. Auch im späteren Leben können sie auf diesen Erfahrungen und gemeinsamen Erlebnissen aufbauen, als aktiver Teil einer riesigen Community, deren Mitglieder eine Leidenschaft teilen, die Musik.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
- Es braucht transparente, verlässliche und umfassende Förderungsmaßnahmen, um neue Amateurensembles entstehen zu lassen und die vorhandenen zu unterstützen,
- unbürokratische kostenfreie Nutzungen von öffentlichen Räumen,
- eine angemessene Honorierung für Ensembleleitungen und betreuende Fachkräfte,
- fachliche Aus- und Fortbildungen für Ensembleleiter:innen und Unterstützer:innen im Management und der Öffentlichkeitsarbeit von Musikvereinen oder ähnlichen Rechtsformen,
- die finanzielle Unterstützung für Konzertreisen und Probenlager der Ensembles.
Aissatou Binger und Geraldine Hepp leiten seit 2022 den Karneval der Kulturen.
Aissatou Binger ist als Kuratorin der Black Atlantica Bühne des Straßenfests und ehemaliges Beiratsmitglied schon lange mit dem KdK verbunden. Die gebürtige Berlinerin bringt Erfahrung in der politischen Bildungs- und Kulturarbeit mit. In ihrem Studium der Ethnologie und Afrikastudien bildeten Arbeiten zu populären Musikstilen und Interpreten im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Prozessen den Schwerpunkt. Sie arbeitete u.a. im Archiv für die Musik Afriks an der Johannes Gutenberg Universität (AMA) und beim BDB e.V. (Bund für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit).
Geraldine Hepp war in den letzten zehn Jahren in Kenia, Brasilien, Indien und den USA im Bereich der Weiterbildung und Kultur tätig Die „Wahl-Berlinerin“ ist Teil des Gründerteams am Amani Institute und bei dem Kunstkollektiv off/track. Sie studiert internationales Kunst- und Kulturmanagement an der Leuphana Universität.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Musik gehört zu den Menschen wie die Fähigkeit zu sprechen – und sollte genauso gepflegt werden. Selber Musik machen ermöglicht eine andere Art von Selbstwirksamkeit und damit auch eine selbstbestimmtere Art des Zusammenhaltes, sie ermöglicht eine nuancierte Form der Kreativität und nicht zuletzt der Teilhabe an und Gestaltung von kulturellem Erbe.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Eine Stärkung der Menschen, die kulturelle Angebote machen auf Kiezebene ist unserer Meinung nach zentral – wer macht schon was, wer wird erreicht und wie kann man mehr Menschen dazu einladen? Große Veranstaltungen, die kulturelle Teilhabe über den Konsum von Kulturgütern ermöglichen, wie der Karneval der Kulturen, könnten auch noch mehr dazu genutzt werden Möglichkeiten aufzuzeigen.
Etienne Emard, Leiter des Referats „Musik und Stiftung Villa Musica“ im rheinland-pfälzischen Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration.
Er studierte Kulturmanagement in Deutschland und Spanien und war als Mitarbeiter in der Operndirektion der Sächsischen Staatsoper Dresden (Semperoper) tätig. 2006 übernahm er die Geschäftsführung des Internationalen Forums für Kultur und Wirtschaft in Dresden.
Von 2009 bis Juni 2023 war er Geschäftsführer des Landesmusikrats Rheinland.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Kern der Amateurmusik ist das gemeinsame Musizieren von Menschen, die sich sonst nicht begegnet wären. Die Musik verbindet dabei Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter und sozialem Status. Damit wirkt die Amateurmusik als sozialer Kit und ist – insbesondere im ländlichen Raum – größter Kulturträger der Zivilgesellschaft.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Die Amateurmusik versteht sich im Gegensatz zum Sport nicht als eine gemeinsame Bewegung. Vielmehr sind die Genregrenzen auch Grenzen der gegenseitigen Wahrnehmung. Eine Chance besteht also darin, diese Grenzen zu überwinden und damit gemeinsam zu mehr Sichtbarkeit und daraus folgender verbesserter Teilhabe zu gelangen.
Cornelia Ewald, Kirchenmusikerin der Paul-Gerhardt-Gemeinde Berlin-Lichtenberg.
Sie war als Kirchenmusikerin in Lübben und Berlin-Niederschönhausen, als Landessingwartin der EKBO sowie als Chorassistentin im Staatstheater Cottbus tätig. Aktuell kann sie auf über 30 Jahre Berufserfahrung als Dirigentin, Organistin, Chor- und Bläserchorleiterin und als Kinderchorleiterin in der Arbeit bauen.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
- Gut funktionierende sozial stabile Gruppen in meist wöchentlichem Rhythmus
- Verbindlichkeit und Präsenz im gemeinsamen Musizieren und Konzertieren
- Individuelle und gesellschaftliche Talentförderung und gegenseitige Wertschätzung, Gemeinschaftsgefühl und gesundheitliche Stärkung
- Stabiler, weil langfristiger wirtschaftlicher Faktor bei ca. 14 Millionen Amateurmusikern
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
- Öffentliche Anerkennung und Förderung, Gleichstellung zur Sportförderung
- Eigene Referate für Amateurmusik im Bundestag und in den Länderparlamenten
- Gesellschaftliche Anerkennung des Musikerberufs und Festanstellungen, von denen der Musiker leben und eine Familie ernähren kann
Dr. med. Dipl. Isabel Fernholz, ärztliche und wissenschaftliche Tätigkeit am Berliner Centrum für Musikermedizin (BCMM) der Charité mit Forschungsschwerpunkt mentale Gesundheit von Musiker:innen, speziell Auftrittsangst.
Seit 2016 ist die studierte Ärztin und Pianistin wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kurt-Singer-Institut der Hochschule für Musik Hanns Eisler im Bereich Musikermedizin und seit 2021 Lehrkraft an der Universität der Künste Berlin, Bereich angewandte Musikphysiologie.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Singen und Musizieren im Amateurbereich positive Wirkungen sowohl auf die mentale als auch die körperliche Gesundheit haben können. Amateurmusiker:innen berichten häufig über ein erhöhtes Wohlbefinden, über mehr psychische Stabilität sowie über eine bessere Stressregulation und mehr soziale Verbundenheit aufgrund ihrer regelmäßigen Teilnahme an musikalischen Aktivitäten. Amateurmusik kann daher als Gesundheitsressource betrachtet werden.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Große, bevölkerungsbasierte Studien, die die Wirksamkeit von Singen und Musizieren auf die mentale und physische Gesundheit im Amateurbereich untersuchen fehlen bislang, auch die Wirkmechanismen sind bisher nicht hinreichend verstanden. Mit wissenschaftlichen Studien kann der gesundheitliche Nutzen von Amateurmusik für Menschen jeden Alters untersucht werden. Musik sollte allen unabhängig von Bildungstand, sozialem Status und Einkommen zugänglich sein.
Marianne Grenz, Musiklehrerin an der Sophie-Scholl-Schule Berlin seit 2009.
Dort gründete sie ein großes sinfonisch besetztes Schulorchester mit 65 Mitgliedern aller Jahrgangs- und Niveaustufen. Seit dem Schuljahr 2017/18 ist sie als Dozentin für das Projekt „Förderung junger Ensembleleiter:innen“ im Bereich Orchester tätig, in dem Berliner Jugendliche Grundlagen des Dirigierens und der Ensembleleitung lernen. Sie ist Beiratsmitglied für das Landesjugendorchester Berlin.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Schulensembles sind tragende Säulen für die Entwicklung einer sozialen, rücksichtsvollen, aber auch ehrgeizigen Gemeinschaft, die ein wichtiges Gegengewicht zu der zunehmenden digitalen Einsamkeit der „sozialen“ Medien bilden. In der Schulensemblearbeit werden wesentliche Grundsteine für die musikalische, soziale, kulturelle und vielfältige Interaktion und Kommunikation gelegt. Es sind Erfahrungen, die lebenslange Amateure hervorbringen können.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Das Ensemblespiel muss wesentlicher Bestandteil des schulischen Alltags sein und keine Ausnahme. Dazu bedarf es an vielfältigen Angeboten für die gesamte Schulgemeinschaft, in erster Linie natürlich für Schüler:innen, aber eben auch ihren Eltern, Freunden und Lehrern. Es braucht entsprechend Raum, Zeit und kreative Unterstützung durch andere Amateure. Durch eine niedrigschwellige Teilhabe möglichst vieler und vielfältiger Menschen, die durch das gemeinsame Musizieren in Kontakt treten, kann das Verständnis für Amateurmusik und damit auch ihre Sichtbarkeit erhöht werden.
Dr. Kai Habermehl, Mitglied im Präsidium des Bundesmusikverbands Chor & Orchester sowie Vizepräsident des Deutschen Chorverbands.
Er war u.a. ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen Chorjugend und der Hessischen Chorjugend, in der er das Jugendforum Chorporation leitete. Zudem war er Vorsitzender des Kinder- und Jugendchores Wixhausen. Er gründete und organisierte Chöre, u.a. den Chor Soundbites (Gewinner des Hessischen Chorwettbewerbs).
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Chöre und Orchester funktionieren durch Gemeinschaft, denn zusammen sind wir stärker. Bei uns kommen Menschen in ihrer Vielfalt zusammen und bilden ein großes Team. Das sind Fähigkeiten, die unsere Gesellschaft heute mehr denn je braucht.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Wir müssen mehr zeigen, wie sehr wir das lieben, was wir tun, statt zu jammern. Nur wer für eine Sache brennt, kann Funken versprühen. Nicht ohne Grund kommt das Wort Amateur von „Liebhaber“. Dieses Strahlen müssen wir kombinieren mit frischen Ideen und kreativen Ansätzen, die auffallen. Dazu benötigt man öfter auch das nötige Kleingeld.
Josef Holzhauser, Leiter der Musikschule City West in Charlottenburg-Wilmersdorf und Stellv. Vorsitzender des Landesausschusses Jugend musiziert Berlin.
1985 – 1991 Studium an der HdK Berlin. Musiklehrerseminar – staatlich geprüfter Musiklehrer, Hauptfach Gitarre mit Diplomabschluss, langjähriger Gitarrenlehrer, Ensembleleiter und konzertierender Gitarrist. Aktiv im Vorstand der „Freunde der Musikschule City West“ sowie im „Bündnis zur Förderung der Berliner Musikschulen“.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
„Zusammen musizieren schafft Gemeinschaft.“
Zusammen Musizieren schafft Gemeinschaften von Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft für die Musik teilen. Chöre, Orchester, Bands und andere musikalische Gruppen bieten die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu treffen, soziale Bindungen zu knüpfen und Freundschaften zu schließen. Dies fördert die Vielfalt und Inklusion in der Gesellschaft. Dabei treten Differenzen und andere Anschauungen in den Hintergrund und „kitten“ die Gemeinschaft.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
„Zu jeder Sporthalle gehört ein Konzertsaal für Auftritte und Proben.“
- Gemeinsam mit Partnern wie Sportverbänden, Schulen und Kitas eine bessere Infrastruktur für die Amateurmusik schaffen.
- Mehr Sichtbarkeit erreichen wir durch mehr mediale Präsenz in Sozialen Medien, Presse, Funk und Fernsehen.
- Bessere Vertretung in der Politik und in den Verbänden.
- Mehr Teilhabe durch eine „Musikalisierung von Anfang an“.
Theodor Huß, 2. Vizepräsident des Landesmusikrats Hamburg.
Er studierte Kirchenmusik und Schulmusik in Detmold, arbeitete 25 Jahre lang als Musiklehrer an Hamburger Gymnasien, 15 Jahre in der Fortbildung für Musiklehrkräfte, als Musikreferent der Hamburger Schulbehörde und als Leiter des Programms „Jedem Kind ein Instrument“. Huß singt in Chören und übernimmt gelegentlich auch die Leitung, er spielt Orgel und Klavier und ist Mitglied im Vorstand des Bundesverbands Musikunterricht in Hamburg.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik bewegt Geist, Herz und Hand.
Geist: Sie vermindert geistige Enge …
Herz: Sie bringt Menschen näher zueinander …
Hand: Sie lässt Menschen aktiv werden …
… für sich und für andere.
Anne Jeglinski leitet die Geschäftsstelle Bezirke des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, die in den Berliner Sozialräumen, auf Bezirks- und Landesebene aktiv ist.
Arbeitsschwerpunkte sind die Stärkung der bezirklichen Zusammenarbeit, Freiwilliges Engagement, Stadtteilarbeit, Arbeitsmarkt und Selbsthilfe sowie Innovation, Digitalisierung und Wirkungsorientierung. Anne Jeglinski gründete das Paritätische Innovationsforum mit und entwickelte maßgeblich das Paritätische Wirkungsmodell.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik fördert den sozialen Zusammenhalt und wirkt als Impulsgeber für eine lebendige und bunte Gesellschaft. Menschen erleben mit Begeisterung Musik als gemeinsames Gut in einem nicht-kommerziellen Kontext. Das gemeinsame Musizieren schafft ein Gefühl von Zugehörigkeit. Es stärkt das Wir-Gefühl in unserer Gesellschaft. Musikalische Aktivitäten bieten eine inklusive Plattform, auf der Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe ihre Liebe zur Musik ausleben und damit auch soziale Verbindungen eingehen können.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Um mehr Sichtbarkeit und Teilhabe im Bereich der Amateurmusik zu erreichen, ist es wichtig, vielfältige und niedrigeschwellige Zugänge zu schaffen. Ziel ist, möglich vielen verschiedenen Menschen zu vermitteln, dass sie sich aktiv beteiligen können. Neben Öffentlichkeitsarbeit, dem Ausbau von Musikschulen und der Organisation von Veranstaltungen, spielt die lokale Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren aus der Zivilgesellschaft wie z.B. Stadtteilzentren und öffentlicher Hand wie z.B. Schulen in den Sozialräumen eine entscheidende Rolle.
PD Dr. Ansgar Klein, Politikwissenschaftler und Soziologe, Gründungsgeschäftsführer des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE).
Privatdozent für Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und Publizist. 2000-2002 wissenschaftlicher Koordinator der SPD-Bundestagsfraktion für die Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“. Mitbegründer und Mitherausgeber (1988) des Forschungsjournal Soziale Bewegungen (De Gruyter, Berlin).
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik ist eine kreative kulturelle Tätigkeit mit sehr hohem Inklusionspotential. Musik gehört zu den Ausdrucksformen, bei denen der Bildungsgrad keine zentrale Rolle spielen muss und bei denen Vielfalt im Rahmen gemeinsamer musikalischer Praxis zur Darstellung kommt. Ein wichtiger Beitrag für gesellschaftlichen Zusammenhalt wie auch kulturelle Kreativität.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Kommunale und regionale Vernetzung in den Netzwerken der Zivilgesellschaft wie auch in den jeweiligen kommunalen Bildungslandschaften sind für die breit gestreute Wahrnehmung der Amateurmusik ebenso von Bedeutung wie die mediale Praxis begleitender Informationen und Angebote zum Mitmachen wie auch der Auftritts-Angebote. Natürlich sind dafür gute Kontakte zu den lokalen/regionalen Medien und Journalist:innen ebenso nötig wie intelligente Nutzungen der Social Media und des Internets. Für Social Media und Internet könnte eine bundeszentrale Plattform mit zentralen Informationen und Verbindung mit regionalen Dialog- und Kommunikationsformaten ein sinnvoller Entwicklungsweg sein.
Olaf Kretschmar ist seit 2007 CEO der “Berlin Music Commission eG”.
Er war 15 Jahre lang Clubbetreiber in Berlin und im Jahr 2000 einer der Gründer der „clubcommission berlin“, wo er bis 2008 als Geschäftsführer und Pressesprecher tätig war. Kretschmar war Initiator des Berliner Musikpreises “listen to berlin: Awards” sowie der Music Business Konferenz “Most Wanted: Music”. Zudem ist er im Präsidium des Landesmusikrats Berlin und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Popularmusik.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik ist die Grundlage von Musik überhaupt. Bei allen Künsten gilt: Jede(r) startet als Amateur(in). Das ist der erste Schritt und ohne diesen finden auch alle anderen nicht statt. Es ist wie im Sport: ohne Bolzplatz spielst du auch keine Champions League. Wenn diese Basis nicht gut bestellt ist, hat das Auswirkungen auf ganze System der Musik.
Eine ausdifferenzierte, niedrigschwellig zugängliche, gut vernetzte und sichtbare Amateurmusikszene ist notwendig, um Talente in Kontakt mit dem Kulturgut Musik zu bringen, um ihnen Chancen zu eröffnen und die Möglichkeit zu schaffen, sich ohne Risiken und finanzielle Verbindlichkeiten vielfach ausprobieren und ohne fremde Erwartungshaltungen den individuell besten Platz zu finden.
Viele professionelle Karrieren beginnen in einer Band, die sich trifft, um eine gute Zeit zu haben und gute Musik zu machen. Irgendwann kommt dann bei einigen der Schritt ins professionelle Musikbusiness. Selbstverständlich entscheidet eine Profi-Perspektive nicht über die Wertigkeit von Amateurmusik. Sie ist auch ohne Berufsoption ist ein elementares Kulturgut. Erst in der Pandemie ist manchen Menschen bewusst geworden, welchen elementaren Stellenwert Musik für sie hat und wie existenziell gemeinschaftliches Musizieren und Musikerleben für sie ist, ganz gleich, ob sie Schubert spielen oder Clueso. Musik ist nicht nur Spaß, sondern auch Sinnsuche, Selbstfindung und praktizierte Gemeinschaftlichkeit. Insofern hat Musik per se eine soziale Dimension. Unter Leuten zu sein und sich durch Klänge emotional zu verbinden, gehört zu unserem menschlichen Wesen.
Über all das hinaus ist es nun endlich einmal an der Zeit, Amateurmusiker:innen als relevanten Wirtschaftsfaktor zu erkennen. Sie benötigen Instrumente, Technik, Noten, mieten Probenräume und Veranstaltungsorte. Ihre selbstveranstalteten Konzerte ziehen ein Publikum an, welches mit professionellen Formaten nicht erreicht wird.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Das Thema ist völlig unterbelichtet. Mehr Sichtbarkeit ist dringend geboten, zum einen weil damit andere Menschen zum Mitmachen angeregt werden und weil eine bessere gesellschaftliche Wertschätzung an der Tagesordnung ist. Zum anderen aber auch deswegen, weil dadurch ein falsches Verständnis von Musik in der deutschen Öffentlichkeit aufgeklärt werden kann. „A star is born“? – eben nicht. Auch die allergrößten Megastars haben als Laien begonnen, sich im Keller oder anderswo mit Gleichgesinnten getroffen und lange und hart an ihrem Musikverständnis und ihrer Virtuosität gearbeitet, bevor der erste Taler gerollt ist. Viele nicht mehr sichtbare Menschen hatten Anteil daran und auch später haben viele Menschen Anteil an der Musikproduktion, die nicht sichtbar sind. Ein überkommener Geniemythos des 18. Jahrhundert und der Mega-Star-Kult verkleistern dem Publikum die Sicht darauf, wie Musik funktioniert.
Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass wir künstlerische Innovation nur entwickeln werden, wenn wir die Musikbranche radikal öffnen – horizontal, hin zu anderen Musikkulturen und vertikal, hin zur Amateurmusik und zu neuen Talenten. Hier müssen wir als Branche eine durchlässige und partizipative Struktur schaffen.
Aber auch für die Amateurmusiker:innen gibt es Handlungsbedarf. Sie organisieren sich zuweilen ungern und selten in Vereinen oder Lobbyverbänden. Die Strukturen der Musikalischen Bildung in diesem Bereich – zum Beispiel durch Popularmusikabteilungen an den öffentlichen Musikschulen oder gar Studienplätze an den Musikhochschulen – beginnen gerade erst, sich zu entwickeln.
Wir alle müssen mehr Orte schaffen, an denen Amateurmusik sichtbar wird, sie sollte selbstverständlicher Teil von Festivals sein und auch durch eigene Festivals gefördert werden. Berlin ist durch die vielen Musikkulturen, die hohe Quailtät in einer unübersehbaren Vielzahl an Genres, die starke Musikwirtschaft, die weltweit bekannte Clubszene und die vielen Musikfans aus nah und fern einer der besten Standort in Europa.
Petra Merkel, Vizepräsidentin des Deutschen Chorverbands seit 2018.
Langjährige Erfahrungen als Bezirksverordnete in Berlin-Charlottenburg, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und 11 Jahre lang als Mitglied des Deutschen Bundestags. Seit 2009 Präsidentin des Chorverbands Berlin, Mitglied im DCV-Präsidium seit 2011. Bürgerschaftliches Engagement in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Mitbegründerin des Begegnungschors e.V. und leidenschaftliche Chorsängerin.
Was bedeutet Amateurmusik aus der Perspektive des Chorverbands für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik ist eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft und Basis des kulturellen Lebens – die Musik vereint, macht Mut, bringt Spaß, unterstützt in schwierigen Situationen und hilft gegen die Einsamkeit.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Amateurmusik braucht Wertschätzung, Raum und Geld. Einen Anfang machen sollte die Gleichstellung der Amateurmusik mit dem Breitensport – vor allem hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung und Darstellung, dem Zugang zu Räumen und dem Zugang zu finanzieller Unterstützung.
Angela Meyenburg, Gründerin und Geschäftsführerin von KulturLeben Berlin.
Nach ihrem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaften war sie von 2005 – 2007 für Discovery Channel und Antenna Audio GmbH als Projektleiterin tätig. 2010 gründete sie den Verein KulturLeben Berlin, der mit seinem Musikprojekt Werkstatt Utopia auch im Laienmusikbereich aktiv ist. Das Utopia Orchester ist das erste inklusive (Laien-)Sinfonieorchester in Berlin und bundesweit.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik bereichert sowohl Mitspielende wie auch Zuhörende und stellt einen wichtigen Bereich der gesellschaftlichen Teilhabe dar. Mit unserem inklusiven Musikprojekt Werkstatt Utopia engagieren wir uns für Inklusion und Teilhabe von Musikerinnen und Musikern mit Behinderung auch im Bereich der Amateurmusik.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Uns liegt die Sichtbarkeit und Teilhabe von Musikerinnen und Musikern mit Behinderung im Amateurmusikbereich am Herzen. Dafür braucht es neue kreative Formen des gemeinsamen Musizierens, aber auch finanzielle Unterstützung. Denn ein inklusives Ensemble benötigt eine intensive personelle Betreuung, um Barrierefreiheit bei Proben und Aufführungen umsetzen zu können. Dies ist mit Vereinsbeiträgen allein nicht umsetzbar.
Anita Rennert ist Leiterin des Julius-Stern-Instituts zur Förderung des musikalischen Nachwuchses an der Universität der Künste Berlin und Dozentin für Gitarre und Gitarre Methodik.
Neben ihrer vielfältigen musikpädagogischen Tätigkeit, ist sie regelmäßig Jurymitglied und -vorsitzende bei diversen Wettbewerben. Sie ist Stv. Vorsitzende des Landesausschuss „Jugend musiziert“ Berlin, Mitglied im Berliner Musikschulbeirat und im Beirat des LJO Berlin. Zudem wirkt sie als Chorleiterin zweier Chöre.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
In der Amateurmusik geht es ums Musizieren, um Zusammenhalt, um Zufriedenheit und Freude im Leben. Wenn ich musiziere, bin ich nicht allein. Bei vielen politischen Diskussionen darf nicht vergessen werden, dass Musik und Kunst essenzielle Voraussetzungen einer funktionierenden Gesellschaft sind und dazu beitragen, das soziale Miteinander zu stärken.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
(Amateur-)Musik ist eine wertvolle und bereichernde Erfahrung für Menschen jeden Alters und stärkt das Selbstbewusstsein jedes Individuums. Zu musizieren muss für alle möglich sein und die Finanzierung ist unsere gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Breitenförderung und auch die Spitzenförderung des besonders begabten musikalischen Nachwuchses sind intelligente Investitionen in unsere Zukunft.
Carola Schaaf-Derichs, Geschäftsführerin der Landesfreiwilligenagentur Berlin e.V. und dort Initiatorin, Kampagnenentwicklerin und Managementausbilderin.
Zudem ehrenamtliche Funktionen im Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin, im Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement und im startsocial e.V. Neben diversen Jury- und Beiratsfunktionen, ist sie im Forschungsbereich und als Unternehmens- und Organisationsberaterin tätig. 2008 erhielt sie die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Musik ist die Schwingung im Leben, der Rhythmus für Bewegung, das Agens für Gefühle, sie verbindet die Menschen, egal wo wir sind. Was Amateur:innen hierzu beitragen, bleibt immer noch viel zu oft im Unsichtbaren, Unerkannten oder schlicht ohne Namen und Anerkennung. Dabei ist es gerade die Musikfreude der Amateur:innen, die uns alle besonders erreicht, die uns Mut macht, es gleich zu tun und mit zu musizieren, zu lernen…
Was wäre, wenn wir ohne diese Schwingungen, ohne die Gefühle des Musizierens blieben?
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Es braucht gerade hier die Anstrengung und die Anerkennung für Amateur:innen, die ihnen weiter Kraft und Gemeinsamkeit gibt, ihre Musik mit uns zu teilen.
Das Engagement muss gerade auch in diesem Bereich viel mehr Unterstützung und breite Öffentlichkeit erfahren!
Gabriele Schulz ist seit 2008 als stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates tätig.
Von 1992 bis 2008 arbeitete sie dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Zudem ist sie stellvertretende Chefredakteurin von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates und Publizistin. Sie studierte Germanistik, Ernährungs- und Haushaltswissenschaft in Bonn und Hannover.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik ist ein Quell der Freude und des persönlichen Ausdrucks. Sie hat große Potenziale für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Positive Konzerterlebnisse und Freude nach außen tragen. Zum Mitmachen einladen und ggfs. bestehende Hürden senken.
Till Schwabenbauer, seit 2018 Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburgischer Liebhaberorchester e.V.
2007 gründete er das JugendKammerOrchester Berlin. An der Schostakowitsch-Musikschule Berlin-Lichtenberg leitet er mehrere Ensembles vom Bläserquintett und Jugendorchester über einen Senior*innenchor bis hin zum Sinfonieorchester. Außerdem forscht er zum Thema multimodalsensorische Kunstereignisse und engagiert sich ehrenamtlich kulturpolitisch in diversen Institutionen und Verbänden.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik verbindet Menschen miteinander, ermöglicht gemeinsame und unvergessliche Erfahrungen, fordert uns bei jeder Probe intellektuell und körperlich heraus, lässt uns aktiv immer wieder neue Welten auch im Altbekannten entdecken, lässt uns dabei nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich wachsen. Amateurmusik ist außerdem ein Soziotop, in dem sich viele unterschiedliche Menschen treffen und viel miteinander kommuniziert wird. Es gilt, stets neue Herausforderungen als Gruppe zu meistern – sowohl organisatorisch als auch kommunikativ und natürlich musikalisch. Beim gemeinsamen Miteinander werden unterschiedliche Meinungen ausgetauscht, es wird Toleranz und Selbstverantwortlichkeit geübt und im besten Falle entsteht eine Symbiose aus Leistungsanspruch und dem Wunsch zur Integration verschiedenster Fähigkeiten, Voraussetzungen und Meinungen.
Diese Erfahrungen im Inneren der Ensembles übertragen sich auch auf das Wirken der Mitglieder in der Gesellschaft. Und nicht zuletzt bei Konzerten teilt die Amateurmusik viel Freude, Energie, Hoffnung und andere Emotionen sowie ästhetische Prozesse und affektive Evaluationen mit ihrem Publikum.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Ich erlebe es so, dass Amateurmusik in unserer Gesellschaft in bestimmten Kreisen, in denen ich zum Beispiel groß geworden bin, einfach wie selbstverständlich da ist und zum Alltag und zum erfüllten Leben gehört, während sie in anderen Teilen der Gesellschaft genauso selbstverständlich einfach nicht da ist.
Zwischen diesen beiden Welten gibt es noch viel zu wenig Berührungspunkte. Politiker:innen gehören häufig zum erstgenannten Teil der Gesellschaft und gerade deswegen wird das Spannungsverhältnis oft nicht richtig wahrgenommen, bzw. die Notwendigkeit für die Unterstützung und Förderung gerade der instrumentalen Amateurmusik nicht richtig eingeschätzt.
Die Amateurmusizierenden selbst sind häufig so sehr damit beschäftigt, das finanzielle und strukturelle Überleben ihres Ensembles und ihrer wunderschönen, aber auch nicht ganz preiswerten Freizeitaktivität zu gewährleisten, dass die Kapazitäten fehlen, um noch mehr grenzüberschreitende Erfahrungen zu ermöglichen. Stattdessen sind besonders die Amateurorchester und instrumentalen Amateurensembles Einzelkämpfer – gerade weil sie bisher nicht strukturell gefördert werden. Sie verharren häufig noch in altbekannten und bewährten Aufführungstraditionen, anstatt das Potenzial der Gemeinschaft über die Ensemblegrenzen hinaus zu nutzen. Oft fehlt die Kraft, neue Konzertformate auszuprobieren, ein breiteres Publikum anzusprechen und auch unerfahrene Klassikhörer:innen damit zu begeistern.
Da sollten wir auf allen Ebenen anknüpfen – sowohl mit struktureller, finanzieller Förderung als auch mit Mut und viel Gemeinschaftssinn.
Beate Stoffers, Geschäftsführerin und seit Juli 2023 auch Vorstandssprecherin der Stiftung Zukunft Berlin.
Von 2019 – 2021 war die Politikwissenschaftlerin Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Seit 2010 war sie dort Pressesprecherin, nachdem sie zehn Jahre in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig war – u.a. für die Wall AG. Gemeinsam mit dem ehem. Schulleiter Dirk Stötzer verfasste sie das Buch „Superlehrer + Superschule = supergeil“.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik ist ein kraftvolles Bindeglied unserer Gesellschaft. Sie schafft einen inklusiven Raum, in dem Menschen verschiedener Hintergründe und musikalischer Talente zusammentreffen. Durch die gemeinsame Sprache der Musik stärken wir nicht nur unsere kulturelle Vielfalt, sondern bauen auch wertvolle soziale Bindungen auf..
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Um die Sichtbarkeit und Teilhabe in der Amateurmusik zu steigern, bedarf es vor allem auch Unterstützung von Seiten der Politik. Durch gezielte Förderung von Initiativen der Amateurmusik und Möglichkeiten für öffentliche Aufführungen können wir musikalische Leidenschaft verbreiten. So werden noch mehr Menschen ermutigt, sich durch Musik an der Gesellschaft zu beteiligen.
Dr. Rupert Graf Strachwitz, Vorstandsvorsitzender der Maecenata Stiftung.
1989 gründete er die Maecenata Management GmbH, München. Von 1997–2023 war er Direktor des heutigen Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft, Berlin. Er ist Mitglied von Stiftungsräten und -vorständen im In- und Ausland und wirkt in zwei Ausschüssen des Deutschen Kulturrates mit. Von 1999–2002 war er Mitglied der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik ist eine der stärksten und wirksamsten Möglichkeiten, die freiwilligen Gemeinschaften auszubilden, die wir für die Stabilisierung unserer Gesellschaft brauchen.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Die Sichtbarkeit, besser Hörbarkeit, in jedem Fall also Aufmerksamkeit, ergibt sich am besten aus dem Genuß beim Zuhören. Je mehr Menschen zuhören dürfen, desto mehr werden angesprochen.
Friedhard Teuffel ist seit 2018 Direktor des Landessportbunds Berlin, des Dachverbands des Sports in Berlin.
Zuvor arbeitete der 48-Jährige als Journalist, unter anderem als Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und leitete die Sportredaktion des Tagesspiegels.
Was bedeutet Amateurmusik aus Ihrer Perspektive für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik leistet wie auch der Sport einen wertvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Denn wer zusammen spielt, lernt sich kennen und aufeinander einzustimmen.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen, brauchen Musik und Sport dort mehr Präsenz, wo sich viele Menschen täglich begegnen, in Kita und Schule, in der Arbeitswelt und im öffentlichen Raum.
Unsere Mitveranstalter:innen (diese Seite wird ständig aktualisiert)
Landesmusikrat Berlin e. V.
Der Landesmusikrat Berlin e.V. setzt sich für die Institutionen und Verbände ein, die das Berliner Musikleben prägen. Er vertritt und koordiniert die musikpolitischen Interessen seiner Mitglieder und berät den Senat und die Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus. In eigenen Projekten wirkt der Landesmusikrat selbst in die Kulturlandschaft Berlin hinein. Dabei nimmt er besonders den musikalischen Nachwuchs in den Blick.
Was bedeutet Amateurmusik aus der Perspektive des Landesmusikrats Berlin für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik bietet jedem Menschen die Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu erleben. Amateurmusik zu machen ist eine direkte Erfahrung, im Gegensatz zu medial vermitteltem Hören von Musik. Damit stärkt Amateurmusik den Menschen als Individuum, aber auch als soziales Wesen, denn Amateurmusik findet meistens in einer Gruppe statt, die sich aus unterschiedlichsten Menschen zusammensetzt. Sie kommunizieren miteinander in einer sehr intensiven Art. Insofern ist Amateurmusik ein wichtiges Element unseres gesellschaftlichen Zusammenseins und -wirkens. Amateurmusiker:innen stellen mit ihrem großen Interesse an der Musik auch einen wesentlichen Teil des Konzertpublikums der Berufsorchester dar.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Amateurmusik wird heute immer noch nicht als wesentlicher Teil zivilgesellschaftlicher Aktivitäten betrachtet. Das müssen wir ändern. Deshalb müssen wir – die wir uns für Musik für alle engagieren – deutlich machen, dass Amateurmusik ein unverzichtbarer Teil unserer Zivilgesellschaft ist, dass er wertgeschätzt werden muss und dass er deshalb auch unterstützt und gefördert werden muss: unter anderem durch eine Gleichstellung mit dem Breitensport und durch entsprechende finanzielle und räumliche Ressourcen. Auch die frühzeitige Hinführung zur Musik durch Kita und Schule ist unverzichtbar.
Chorverband Berlin e.V.
Der Chorverband Berlin e.V. ist die größte Amateurmusikorganisation der Hauptstadt und das wichtigste Forum der Berliner Amateurchorszene. Er ist die Dachorganisation der ihm etwa 300 angeschlossenen Ensembles, versteht sich aber auch als Anlaufpunkt der vielen Chor- und Vokalprojekte außerhalb dieses Verbundes. Mit seinen vielfältigen Aktivitäten als Interessenvertretung, Veranstalter und Zuwendungsgeber leistet der Chorverband Berlin intensive Brasis-, Breiten- und Nachwuchsarbeit.
Was bedeutet Amateurmusik aus der Perspektive des Chorverbands für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik ist eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft und Basis des kulturellen Lebens – die Musik vereint, macht Mut, bringt Spaß, unterstützt in schwierigen Situationen und hilft gegen die Einsamkeit.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Amateurmusik braucht Wertschätzung, Raum und Geld. Einen Anfang machen sollte die Gleichstellung der Amateurmusik mit dem Breitensport – vor allem hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung und Darstellung, dem Zugang zu Räumen und dem Zugang zu finanzieller Unterstützung.
Europäische Akademie Berlin
Die Europäische Akademie Berlin schafft Zugänge zu den Themen Europas. Für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren bietet die 1963 gegründete Bildungsstätte Raum für gute Ideen. In ihren Seminaren, Workshops, Projekten und Veranstaltungen bringt die EAB nicht nur Menschen aus aller Welt nach Berlin, sondern auch deren Wünsche, Ideen und Vorschläge für ein von Partizipation und internationaler Begegnung geprägtes Miteinander. Die EAB ist Mitglied der Berliner Initiative zur Zukunft Europas.
Was bedeutet Amateurmusik aus der Perspektive der Europäischen Akademie für unsere Gesellschaft?
Gemeinsam die Stimme zu erheben, den richtigen Ton zu treffen, Höhen und Tiefen zusammen zu gestalten – was könnte eine bessere Grundlage sein für eine demokratische Gesellschaft?
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Teilhabe beginnt, wo Menschen ohne Hürden einfach mitmachen können. Und Teilhabe ist dort erfolgreich, wo alle die Chance haben, auch mal den Ton anzugeben. Dafür steht Amateurmusik.
(Dr. Christian Johann, Leiter der Akademie)
Maecenata Stiftung
Die Maecenata Stiftung ist ein unabhängiger Think-Tank zu Zivilgesellschaft, Bürgerengagement, Philanthropie und Stiftungswesen. Sie vereint am Arbeitsort Berlin 4 ständige Programme:
- Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft, eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung (seit 1997),
- Transnational Giving, ein Unterstützungsprogramm für transnationales Spenden (seit 2001),
- Tocqueville Forum, ein Forum für politische Wächteraufgaben und europäische Zusammenarbeit (seit 2014),
- MENA Study Centre für Nah- und Mittelost-Studien (seit 2019).
Was bedeutet Amateurmusik aus der Perspektive der Maecenata Stiftung für unsere Gesellschaft?
Amateurmusik ist eine der stärksten und wirksamsten Möglichkeiten, die freiwilligen Gemeinschaften auszubilden, die wir für die Stabilisierung unserer Gesellschaft brauchen.
Wie können wir im Bereich der Amateurmusik mehr Sichtbarkeit und mehr Teilhabe erreichen?
Die Sichtbarkeit, besser Hörbarkeit, in jedem Fall also Aufmerksamkeit, ergibt sich am besten aus dem Genuß beim Zuhören. Je mehr Menschen zuhören dürfen, desto mehr werden angesprochen.
(Dr. Rupert Graf Strachwitz)
Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin e. V.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin ist Dach- und Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege. Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder und berät sie bei rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und sozialen Fragen. Er setzt sich für die Rechte hilfebedürftiger Menschen und für die Förderung der Zivilgesellschaft ein. Diese Arbeit wird geleitet durch das Ziel, die gesellschafts- und sozialpolitischen Entwicklungen in Berlin aktiv mitzugestalten.
Stiftung Zukunft Berlin
Die Stiftung Zukunft Berlin bündelt bürgerschaftliches Engagement und gibt ihm eine Stimme. In der Stiftung engagieren sich mehr als 500 Bürger:innen in über 30 Initiativen mit jeweils fünf bis 40 ehrenamtlichen Mitgliedern. In einzigartigen und ergebnisoffenen Dialogformaten, darunter das Berlin-Forum, werden Positionen und Argumente der Zivilgesellschaft zusammengetragen und auf Augenhöhe an die Politik weitergegeben. Drei große Schwerpunkte prägen die Arbeit der SZB: Berlin, Berlin und Brandenburg sowie Europa.